Sektionsbeschreibung
Lusophone Modernismen: Interkonnektionen – (Re)Artikulationen – Übersetzungen – Revisitationen
Mehr als hundert Jahre nach ihrem Eindringen in den durch sie verwandelten intermedialen künstlerischen Raum, beanspruchen die modernistischen Bewegungen nach wie vor die ästhetische und politische Kunstreflexion, die Kunstkritik und -geschichte sowie sprechen die Reichweite dieser Manifestationen an. Wenn es einerseits stimmt, dass die Gesten des Bruchs mit der Destabilisierung verschiedener ästhetischer Kategorien einhergingen, so kann man andererseits auch davon ausgehen, dass in verschiedenen Bereichen und Zeiten die gewählte Strategie darin bestand, Linien des Dialogs mit lokalen und internationalen Traditionen mit dem Zweck zu etablieren, Neubegründungen des Nationalen auf heterogenen und bisweilen auch heterodoxen Vermächtnissen zu fördern. Auch in den Fällen, in denen das Ziel nicht der Bruch wäre, vererbten die etwa zwischen 1915 und 1930 in Brasilien und Portugal entstanden Bewegungen der ästhetischen Moderne lusophonen Ausdrucks eine Reihe von Techniken, Handlungen und Ausdrucksverfahren neuer Perspektiven für die Konzeption, Ausführung und Rezeption der Künste; sie trugen dabei nicht nur zur Modernisierung künstlerischer Räume der lusophonen Welt bei, sondern begründeten auch Politiken des Modernismus, die sogar in der Art und Weise, wie die zeitgenössischen Kunstaktivismen (artivismos) die Dekolonialisierungsbewegungen revisitieren, immer noch präsent sind.
In diesem Rahmen werden nicht nur die Verhältnisse zwischen dem Nationalen und dem Kolonialen/Internationalen neu kalibriert (in Übersetzungen, Rezensionen, Debatten), sondern auch die Formen, wie das Lokale (in Reisen und Forschungen) revisitiert wird, fördern zudem Wiedergutmachungen bzw. Reparaturen der Ungleichheiten historisch-kritischer Perspektiven wie Reorientierungen im Entwurf der Instrumente und Kriterien, mit denen Kunstkritik und -geschichte zukünftig ausgeübt werden, indem sie zu den zu verwendenden Kategorien hinterfragende Positionierungen einnehmen.
Mit dem Zweck, diese Debatte im Lichte der jüngsten Revisionen zu erneuern, schlagen wir vor, die lusophonen Modernismen in ihren Dialogen, Kontinuitäten, Entwicklungen, Transformationen, Zusammenflüssen, Divergenzen und Übersetzungen sowohl in Bezug auf ihre lokalen als auch auf ihre regionalen und internationalen Kontexte aus einer integrativen und vergleichenden Perspektive neu zu denken und zu revisitieren. In diesem Sinne wollen wir, über „Revisitierungen“ und „Reorientierungen“ nachdenken, sowohl aus zeitlicher Perspektive (von zeitgenössischen Debatten über die Modernismen des 20. Jahrhunderts bis hin zu Reflektionen über zeitgenössische künstlerische Praktiken, die mit den diversen Modernismen in Dialog treten) als auch aus räumlicher (in in Brasilien, Portugal und den portugiesischsprachigen afrikanischen Ländern produzierten Literatur und Kunst).
Dafür laden wir KollegInnen aus Lusitanistik und anderen Disziplinen zu einem Dialog ein, der sich – neben anderen möglichen Dimensionen und zu analysierenden Thematiken – mit den Modalitäten befassen wird, wie die Poetiken der Modernismen sich Manifestationen anderer ästhetischer und literarischer Systeme aneignen und transformieren; wie sie Dialoge und Brüche zwischen künstlerischen Sprachen (Literatur, Musik, bildende Kunst, Kino) und kulturellen Feldern (Europa, Afrika, Amerika) fördern; auf welche Art und Weise die lusophonen Modernismen Dialoge und Spannungen mit den schwarzen und indigenen Künsten, der populären Kunst auf lokaler und internationaler Ebene neu konfigurieren; in welcher Form Migrationen (von den 1920er Jahren bis heute) die Politik der Übersetzung und Zirkulation von Künstlern, Bewegungen und Werken beeinflussen; welche Wechselwirkungen und kritisch-emanzipatorischen Perspektiven die Politik des Modernismus zwischen Brasilien, Portugal und dem lusophonen Afrika fördert; welche Revisionen und Neuorientierungen der modernen Kanon (Autoren/Künstler, Projekte/Produktionen) heute als unausweichlich dargestellt werden, angesichts der anhaltenden Herausforderungen in Bezug auf Zirkulation, Verbreitungen, Verbindungen, Referenzen, Differenzen, Übersetzungen, Transfers; wie säkulare modernistische Kriterien heute durch u.a. ethnische, genderspezifische, ökologische und differenzintegrierende Diskurse und Politiken angesprochen werden; wie modernistische Ästhetiken und Agenden kritisch mit Entwurf, Förderung und Umsetzung von Patrimonialisierungs-, Restitutions- sowie Reparaturpolitiken (von Archiven, Kunstwerken und -sammlungen) verbunden sind; was die Schwerpunkte der zeitgenössischen Kunstaktivismen in der Lusophonie sind.
Vortragsvorschläge können bis zum 15. März 2025 (Einreichungen geschlossen) bei der Sektionsleitung (hansfernandez@hotmail.de; gvgelado@id.uff.br) eingereicht werden.